Der 12-h-Arbeitstag aus arbeitspsychologischer Perspektive
30. September 2018Gute Erfahrungen mit der Tagespriorität
8. April 2020Bei der internationalen Burnout-Tagung Anfang September 2018 in Wien mit Prof. Dr. Christine Maslach – emeritierte Professorin für Psychologie an der University of California in Berkeley – ging es um aktuelle Entwicklungen und Perspektiven. Prof. Dr. Maslach gilt als die Pionierin in der Burnout-Forschung im Unternehmens- bzw. Organisationskontext.
Gegen den inflationären Gebrauch des Begriffes
Noch vor einigen Jahren durfte man das Wort gar nicht in den Mund nehmen, es hatte eine Stigmatisierung der betroffenen Personen zur Folge (primäre Tabuisierung). Aktuell sind wir bei der sekundären Tabuisierung angelangt: es wird viel zu schnell und zu oft von einem Burnout gesprochen. Es soll sogar vorkommen, dass Mitarbeiter ihrer Führungskraft damit drohen: „Wenn Du mir das auch noch gibst, dann gehe ich ins Burnout.“, so das Zitat eines Vortragenden.
Burnout – erst bei hohen Werten in allen 3 Dimensionen
Christine Maslach differenziert ganz genau: Es ist dann von einem Burnout zu sprechen, wenn in allen drei Burnout-Dimensionen lt. dem Maslach Burnout Inventory* ein hoher Scorewert vorliegt:
- Emotionale Erschöpfung (das Gegenteil von Energie)
- Zynismus und Depersonalisation (das Gegenteil von Interesse)
- Inefficacy = reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit
Liegt in nur einer der drei Dimensionen ein hoher Wert vor, benennt Christine Maslach die Gruppe entsprechend: Overextended, Disengaged, Ineffective. Also muss z. B. ein Erschöpfungszustand noch kein Burnout sein, wenn in den beiden anderen Merkmalen keine Anzeichen dafür vorliegen. Dies ist insofern von Bedeutung, als jeweils andere Maßnahmen / Therapien erforderlich sind, damit gezielt geholfen werden kann.
Das Mismatch zwischen Person & „Job“ führt ins Burnout
Verkürzt dargestellt, gibt es ohne den Einfluss einer „toxischen Arbeitsumgebung“ kein Burnout. Lt. Maslach sollten wir uns nicht ausschließlich auf betroffene Personen fokussieren, sondern immer auch die Situation miteinbeziehen. Beides ist bei Burnout entscheidend.
Als die wesentliche Burnout-Ursache bzw. aufrechterhaltende Bedingung gilt das Mismatch zwischen Person & „Job“. D. h., wenn es um Burnout bzw. einen Burnout-Verdacht geht, muss man den Kontext anschauen. Ziel ist die Passung zwischen Person & „Job“, womit sechs Einflussfaktoren im Arbeitsbereich gemeint sind: Arbeitsbelastung, Tätigkeitsspielraum, Anerkennung, Gemeinschaftsgefühl, Fairness und Wertvorstellungen.
Gezielte Burnout-Prävention im Unternehmen: verhaltens-, jedoch vor allem verhältnisorientiert
Viele verhaltensorientierte Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung sind sehr begrüßenswert. Es braucht jedoch unbedingt auch das Drehen an allen sechs Stellschrauben der Arbeitsverhältnisse. Ein rein am Individuum orientierter Präventionsansatz hat sehr negative Konsequenzen für das Job-Engagement. Christine Maslach spricht sich explizit gegen individuelle Lösungen aus, denn diese machen Jobs nicht weniger toxisch. Als Resümee kann zusammengefasst werden: Es ist „nie“ ein Faktor allein ausschlaggebend, es ist „immer“ ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren.
Zur Rolle der Führung
Natürlich kann Führung auf jedes der sechs Gestaltungsfelder – je nach Unternehmen – einen positiven Einfluss nehmen. Werden die Belastungen in einem Team jedoch insgesamt zu hoch, kann auch die Führungskraft ihre gestalterischen Einflüsse nur mehr bedingt einbringen.
Was tun bei Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einem Burnout?
Zu den notwendigen Verhaltensänderungen braucht es unbedingt Veränderungen der Arbeitsverhältnisse, sonst ist die nächste Krise vorprogrammiert. Alles Veränderbare hartnäckig zu hinterfragen – das ist die Aufgabe bei der Begleitung, sei es als Therapeut, Klinischer und/oder Gesundheits-Psychologe, Arbeitspsychologe oder Coach, wer auch immer damit betraut wird.